Apple ATT – Schutz der Privatsphäre mit Kollateralschäden für das Affiliate-Marketing

Ein Gastkommentar von Alexander Kube, Client Services Director (DACH & Nordics) bei Awin.

Apple hat mit der App Tracking Transparency ein starkes Signal gesendet. Privatsphäre ist ein Grundrecht, und der Schutz persönlicher Daten ist längst zu einem gesellschaftlichen Leitmotiv geworden. Doch der noble Anspruch von ATT hat eine Kehrseite, die nicht unterschätzt werden darf. Die Regeln sind unklar, und diese Unklarheit entfaltet gerade im Affiliate-Marketing eine Sprengkraft, die Publisher, Content Creators und letztlich auch Konsumenten trifft.

ATOSS begrüßt die Mission von Apple. Aber wir sagen auch deutlich: So wie ATT heute ausgestaltet ist, erzeugt das Framework ein Klima der Unsicherheit. Die Folge ist, dass ausgerechnet jene Akteure, die die Privatsphäre respektieren, wirtschaftlich ins Hintertreffen geraten. Und damit steht nicht weniger als die Vielfalt einer unabhängigen Content-Ökonomie auf dem Spiel.

Zwischen Anspruch und Realität: ATT schafft Unsicherheit im Affiliate-Marketing

Affiliate Netzwerke wie Awin, und mit ihnen zahllose Publisher, arbeiten nach einer einfachen Logik. Sie führen Nutzerinnen und Nutzer zu einem Angebot, das sie interessiert, und sie werden dafür vergütet. Keine Erstellung von Nutzerprofilen, kein seitenübergreifendes Retargeting, keine Datenexzesse. Affiliate Attribution ist datenarm, transparent und im Kern fair. Sie sichert die Existenz von Inhalten, die sonst nicht finanziert werden können.

Doch ATT kennt nur Schwarz und Weiß. Wer dem Tracking nicht zustimmt, entzieht damit auch solchen Modellen die Basis, die mit invasivem Ad Tracking nichts zu tun haben. Das ist nicht nur unlogisch, es ist kontraproduktiv. Denn so werden Leistungen nicht korrekt zugeordnet, Publisher verlieren Einnahmen, Nutzer verlieren Cashback oder Boni und Händler sehen sich dem Risiko ausgesetzt, bei kleinster Datenweitergabe aus dem App Store verbannt zu werden.

Besonders irritierend ist, dass Regulierer in Europa längst differenzierter urteilen. Das Information Commissioner’s Office in Großbritannien erkennt an, dass Anreiz-basiertes Affiliate Tracking in bestimmten Fällen von der Zustimmungspflicht ausgenommen sein kann. Die französische CNIL hat klargestellt, dass bestimmte Werkzeuge wie Webanalyse-Systeme zulässig sind, wenn sie keine Werbeprofile erstellen und Cross Tracking ausschließen. Apple hingegen bleibt im App-Bereich vage. Und diese Vagheit ist kein theoretisches Problem, sondern sie trifft den Markt mit voller Wucht.

Fehlende Differenzierung: Warum Affiliate Tracking nicht gleich Ad Tracking ist

Die Zahlen sprechen eine klare Sprache. AppsFlyer meldet, dass nur rund 40 Prozent der iOS-Nutzer dem Tracking zustimmen. Die Mehrheit fällt damit in ein Vakuum. Affiliate-Aktivitäten werden entweder gar nicht erfasst oder ohne die notwendigen Daten, die eine faire Vergütung ermöglichen würden. Beide Szenarien führen zu Fehlattribution, zu Unsicherheit und zu realen Verlusten. Davon betroffen sind Publisher, Händler, aber auch Nutzerinnen und Nutzer.

Gleichzeitig belegen Studien des IPA, dass Britinnen und Briten inzwischen mehr Zeit mit dem Smartphone verbringen als vor dem Fernseher. Das ist ein Wendepunkt. Mobile Attribution wird zum zentralen Erfolgsfaktor. Wenn gerade dort keine Verlässlichkeit herrscht, geht nicht nur Umsatz verloren. Es geht auch Vertrauen verloren in eine Branche, die Transparenz und Fairness eigentlich vorlebt.

Das Paradoxe ist: Es gibt längst technische Lösungen. Mobile Measurement Partner stellen Tools bereit, die eine konforme und datenschutzfreundliche Attribution ermöglichen. Doch ohne klare Leitlinien von Apple bleiben diese Lösungen Nischenwerkzeuge. Sie werden nicht standardisiert, nicht skaliert, nicht genutzt. Das Ergebnis ist eine Verzerrung des Marktes. Affiliate-Sales verschwinden aus der Sichtbarkeit, während große Plattformen profitieren. Und genau das wollte Apple mit ATT eigentlich verhindern.

Wir glauben nicht, dass Apple die Absicht hatte, den Affiliate-Kanal zu schwächen. Aber Absicht und Wirkung klaffen hier weit auseinander. Deshalb ist jetzt die Zeit für klare Entscheidungen.

Ein Appell an Apple: Klare Leitlinien für Fairness und Vielfalt

Wir fordern von Apple drei Dinge. Erstens eine eindeutige Unterscheidung zwischen Affiliate Tracking und invasivem Ad Tracking. Zweitens die Zusicherung, dass App-Betreiber nicht für die Nutzung regelkonformer Attribution sanktioniert werden. Drittens praxistaugliche Leitlinien, die Wahlfreiheit und Datenschutz sichern und gleichzeitig die Leistungen von Publishern anerkennen.

Die Realität ist, dass sich enttäuschte Kunden häufig direkt an den Kundenservice wenden. Dies verursacht nicht nur Frustration auf Kundenseite, sondern auch erhebliche interne Kosten, da Ressourcen wie der Customer Support eingesetzt werden müssen, um eine Lösung zu finden – obwohl dieser aktuell oft keine Handhabe hat.

ATT darf nicht länger ein grobes Instrument sein, das jene trifft, die sich ohnehin an die Regeln halten. Apple muss jetzt den Dialog mit Affiliate-Netzwerken, Publishern und Regulierungsbehörden suchen. Nur so entsteht die Klarheit, die notwendig ist, um Privatsphäre und faire Attribution miteinander zu versöhnen.

Der Affiliate-Kanal kann Vorbild sein für ein ethisches, datensensibles Performance Marketing. Apple hat die Chance, das anzuerkennen. Die Frage ist, ob das Unternehmen bereit ist, Verantwortung nicht nur für seine eigenen Regeln, sondern auch für die digitale Ökonomie zu übernehmen, die auf diese Regeln angewiesen ist.

Katharina Hörmann
Katharina Hörmann
Katharina Hörmann startete im April 2022 als Trainee im Affiliate Marketing bei der MAI xpose360 GmbH. Inzwischen ist sie als Affiliate Marketing Managerin tätig und betreut sowohl B2C- als auch B2B-Kunden in den Bereichen Retail und Vertragswesen. Zudem ist sie verantwortlich für das Format #AskTheExpert hier auf dem Blog.
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