Wir alle kennen das Prinzip des Affiliate-Marketing-Kanals: Die Publisher bringen durch erfolgreiche Werbeleistung dem Advertiser Sales und Umsatz ein und werden von ihm durch eine bestimmte prozentuale Provision dafür belohnt. Klingt einfach, ist es aber durchaus nicht. Die Attribution bleibt das zentrale und signifikante Diskussionsthema im Affiliate-Marketing – nicht zuletzt durch technische Umbrüche, Datenschutzanforderungen und die zunehmende Relevanz der von uns im Alltag gar nicht mehr wegzudenkenden KI. Während im letzten #AsktheExpert mit Philipp Hundt die aktuellen Herausforderungen beleuchtet wurden, führen wir das Thema in diesem Blogbeitrag nun weiter: Gibt es „neue“ Attribution-Modelle, die neben den weiteren bekannten noch in den Startlöchern stehen? Was sind ihre Vor- und Nachteile? Und welche Rolle spielt die KI hier und wie wird sich das Thema in Zukunft weiterentwickeln?
Der Status Quo – zwischen Cookie-Modellen und technologischer Weiterentwicklung
Wie bereits auch Philipp Hundt erwähnte, dominiert das Last-Cookie-Wins aber auch das First-Cookie-Wins-Modell – vor allem in Content-getriebenen-Programmen. Und das schon seit vielen Jahren. Durch die Risiken der Nichtberücksichtigung der gesamten CJ, der Benachteiligung bestimmter Partner-Verticals, sowie der nicht ausreichenden Transparenz für Advertiser und Partner, steigt simultan der Druck durch Trackingverluste durch Cookie-Blocker, IOS-Privacy-Einschränkungen sowie den Consent-Problemen. Dadurch werden Merchants zum Umdenken angestoßen.
Neue Attributionsmodelle auf dem Vormarsch – Die Pros und Contras
Badewannen-Modell
Beleuchten wir weitere Modelle nochmal genauer und beginnen mit dem Badewannen-Modell. Hierbei ist die Vorstellung, dass die Provision gleichmäßig auf alle Touchpoints der CJ aufgeteilt wird, sodass sowohl die erste als auch letzte Interaktion fair vergütet wird. Besonders geeignet wäre es bei Programmen, bei denen User einem langen Kaufentscheidungsprozess durchgehen, bevor sie sich schlussendlich dafür entschieden haben, das Produkt zu kaufen und mehrere Partner diesem zu der Entscheidung geholfen haben. Was logisch klingt und die Partnerschaft stärken kann, ist aber in der technischen Umsetzung anspruchsvoll. Insbesondere wenn alle sauber getrackt werden sollen. Darüber hinaus ist auch die Akzeptanz bei Affiliates gering, da sie weniger Einfluss auf die finale Provision haben. Auch dann, wenn sie traditionell am Ende der CJ aktiv sind, wie Gutschein- und Cashbackseiten.
Dynamische Atrribution
Recht ähnlich zum Badewannen-Modell bleibt die dynamische Attribution, bei der die Provisionsverteilung individuell angepasst wird, je nachdem welche Rolle ein Touchpoint tatsächlich in der Conversion gespielt hat. Die Bewertung erfolgt kontextabhängig und kann auf Logiken wie Interaktionsdauer, Kanal-Typ oder Zeitpunkt basieren. Auch hier ist die Komplexität bei der Umsetzung zu hoch und sorgt auch für eine fehlende Transparenz den Affiliate-Partnern gegenüber. Besonders für kleinere Advertiser kann der Aufwand im Verhältnis zum Mehrwert zu groß sein.
View-Trough-Attribution (VTA)
Das zur dynamischen Attribution gehörende View-Trough-Attribution (VTA), auch bekannt als Impressions-Attribution, ist das Modell, bei dem Conversions nicht nur nach einem Klick, sondern auch nach dem bloßen Anzeigenkontakt erfasst werden. Das bedeutet: Nutzer*innen, die eine Anzeige sehen – beispielsweise auf TikTok oder Facebook – aber nicht direkt daraufklicken, können dennoch später eine gewünschte Aktion ausführen. Beispielweise einen Kauf oder einen App-Download. Diese Conversion wird dann der ursprünglichen Anzeige zugerechnet.
VTA ist zwar kein neues Konzept, gewinnt aber zunehmend an Bedeutung. In einer immer komplexeren, kanalübergreifenden Customer Journey spielen Sichtkontakte ohne unmittelbare Interaktion eine große Rolle. Viele Nutzer*innen reagieren nicht mehr sofort auf Werbung, sondern konvertieren zeitversetzt über andere Wege. VTA hilft, diese Wirkung sichtbar zu machen und ergänzt klassische Modelle wie die Click-Through-Attribution. Durch die Einbeziehung von Impressions bietet VTA eine umfassendere Sicht auf die Wirkung von Kampagnen. Es ermöglicht eine genauere Bewertung von Anzeigenformaten, trägt zur Optimierung der Mediaplanung bei und unterstützt die Messung der Markenbekanntheit. In Summe liefert VTA einen wertvollen Beitrag zur Attribution moderner, datengetriebener Marketingstrategien.
Hybridmodelle
Hybridmodelle, die sich aus einer Kombination aus Festvergütung (beispielsweise für Brading-Conent oder Sichtbarkeit) und Performance-Anteil (beispielsweise für Sales und Leads) zusammen, erzeugen eine Stabilität für Partner und eine Flexibilität für Advertiser. Gerade bei längerfristigen Kooperationen oder beim Onboarding neuer Affiliate-Publisher kann dieses Modell Vertrauen und Planbarkeit schaffen. Jedoch entwickelt sich die Komplexität bei der Abrechnung weiter, sodass das Risiko besteht, dass der Affiliate sich auf die garantierte Komponente verlässt – ohne dabei schlimmstenfalls den Performance-Anteil aktiv zu steigern. Für Advertiser kann es also schwierig sein, die optimale Balance zwischen Risikoabsicherung und Leistungsanreiz zu finden.
KI-gestützte Modelle
Durch KI-gestützte Modelle kann die Attribution in Echtzeit analysiert und dynamisch angepasst werden. Je nach Verhalten, Gerät, Zeitverlauf oder Nutzersegment. Auf diese Weise entstehen äußerst präzise Modelle, die sowohl Performance, als auch Fairness optimieren. Gerade bei Multi-Touchpoint-Konversionen liefern Syteme, die auf künstlicher Intelligenz beruhen größten Mehrwert. Hier ist aber wieder die Datenqualität und die technologische Infrastruktur entscheidend. Zudem stellt sich auch die Frage des Dateschutzes und der Transparenz: Wie nachvollziehbar ist eine AI-getroffene Entscheidung für Publisher, wenn der „Black-Box“-Effekt eintrifft?
Fazit & Ausblick
Jedes Attributionsmodell hat seine Berechtigung – und seine Grenzen. Jeder Merchant sollte bei der Wahl des richtigen Modells immer vom Ziel des Partnerprogramms, der Publisher-Struktur und der vorhandenen Ressourcen ausgehen. Während einfache Modelle wie First bzw. Last-Click für viele nach wie vor praktikabel sind, zeigt der Trend klar in Richtung hybrider, datengetriebener und fairer Lösungen, bei denen auch KI eine zunehmende Rolle spielt.
Wer langfristig erfolgreich sein will, sollte Attribution nicht nur messen – sondern aktiv steuern, regelmäßig evaluieren und transparent mit seinen Partnern kommunizieren. In den nächsten Jahren könnte sich Attribution weiter in Richtung Automatisierung und kanalübergreifender Bewertung entwickeln. Modelle, die flexibel auf verändertes Nutzerverhalten reagieren und gleichzeitig den Anforderungen an Datenschutz und Transparenz gerecht werden, werden sich durchsetzen. KI wird dabei weniger als Alleskönner, sondern vielmehr als unterstützendes Werkzeug in der Analyse und Modellanpassung fungieren.